Rache! Oder: Die Auslotung unserer Abgründe Von Christian Schüle . Gerächt wurde immer, gerecht ist Rache selten. Wer rächt, verschafft sich Heilung und schafft für andere neues Unheil. Der Mensch sinnt auf Rache, aber Rache macht keinen Sinn. Als Ausgleich für Kränkungen kann Rache krankmachen; sie durchdringt das persönliche wie gesellschaftliche Leben seit jeher und bis heute. Eifersucht, Häme, Schadenfreude Racheporno, Brandstiftung, Mord - im Kleinen rächt jeder, sich oder andere. Kulturen basieren auf dem Wechselspiel von Rache und ihrer Verhinderung. Rache formuliert die Matrix weltliterarischer Epen, der biblischen Testamente, ist Stoff für Film, Theater, Oper, den Boulevard und das alltägliche Leben. Sie ist ein hochkomplexes Gefühl zwischen Schuld, Scham und Strafe, ein scheinbar unausrottbarer Trieb, den der Mensch nicht an Recht, Ratio und Großhirn delegieren kann, sie ist die rational geplante Irrationalität in einer durchrationalisierten Funktionsgesellschaft mit gestörter Affektkontrolle. So gut wie alle Anti-ismen, von Antisemitismus bis zu Antigenderismus, sind Erscheinungsformen der Rache. "Bin ich"s, ist"s Gott oder wer sonst, der diesen Arm erhebt?", fragt Kapitän Ahab, Jäger des weißen Wals, seinen Steuermann Starbuck und wirft damit die existentielle Frage jeder Zivilisation auf: Woher kommt der Hass? Aus einer einzigen Szene des genialischen Romans "Moby Dick" von Herman Melville entwirft Christian Schüle eine Phänomenologie der Rache und erzählt von ihren Erscheinungsformen. Am Ende stellt er eine letzte, die entscheidende Frage: "Bleibt uns nur die Moral?"
Moderation: Eckhard Weber Mehr als ein halbes Jahrhundert liegt zwischen den beiden Streichtrios von Helmut Lachenmann. Sein Streichtrio von 1965 war ein Werk der Befreiung, ein "a punktuelles Werk", das am Anfang von Lachenmanns Entwicklung vom Serialismus zu seiner Idee einer "Musique concrète instrumentale" steht. Lachenmanns zweites Streichtrio - seit vielen Jahren dem trio recherche versprochen und im Frühjahr 2022 uraufgeführt - ist Korrespondenzstück und steht doch in natürlicher Distanz zum "Vorgänger". Beide Werke standen beim Konzert des trio recherche im Rahmen von Ultraschall Berlin auf dem Programm. Konzertaufnahme vom 21. Januar 2023 im silent green Kulturquartier
ding fest machen Nach Aufzeichnungen von Louise Bourgeois Von Ulrike Haage Regie und Komposition: die Autorin Mit Monica Bleibtreu, Judith Engel, Benedicte Savoy und Martin Wuttke Ton: Tritonus Tonstudio Berlin Produktion: BR 2003 Länge: 42"43 In den 1950er-Jahren verlagerte Louise Bourgeois ihr Interesse von der Malerei auf die Bildhauerei. Es gibt kaum ein Material, das die eigenwillige Künstlerin nicht bearbeitet hat: Brot und Spucke, Federn und Tücher, Stahl und Bronze, Marmor und Stein, Latex, Gips, Holz, Klebstoff. An dieser Vielfalt der verwendeten Materialien und der Formensprache orientiert sich die Komponistin Ulrike Haage. In das Hörstück fließen autobiografische und theoretische Texte der Bildhauerin ein, Interviews, Poeme und Klangtexte, die sich mit den zentralen Themen des Lebens der Bourgeois" befassen: der Auseinandersetzung mit dem Vater, mit der Mutter, dem Exorzieren der Vergangenheit und unbewältigten Emotionen. Louise Bourgeois, 1911 in Paris geboren, übersiedelte 1938 in die USA. Während des Zweiten Weltkriegs zählte sie zum Surrealisten-Kreis. 1993 war sie die alleinige Vertreterin der USA auf der Biennale in Venedig, 2002 die älteste Teilnehmerin bei der documenta XI. Sie starb 2010. Ulrike Haage, Komponistin und Pianistin, spielte in Deutschlands erster Frauenbigband "Reichlich Weiblich" und den "Rainbirds". Theaterkompositionen u.a. für Peter Zadek, Hörspielopern mit Andreas Ammer und FM Einheit. Sie schrieb und realisierte Hörspiele wie "Lockbuch" (NDR/Deutschlandfunk 2016), "Geld" (nach Gertrude Stein, Deutschlandfunk 2016), "A Funeral March For the First Cosmonaut" (mit Etel Adnan, Deutschlandfunk Kultur 2019). 2022 wurde sie für ihr Lebenswerk mit dem Günter-Eich-Preis ausgezeichnet. ding fest machen
Drei Jahre Corona (3/4) Fear of Losing New York Auf der Suche nach einer verschwundenen Stadt Von Thomas Reintjes und Matthias Röckl Regie: die Autoren Produktion: Deutschlandfunk/SWR 2021 (Teil 4 am 28.03.2023) Am 16. März 2020 verschwand New York City. COVID-19 hatte die Stadt, die niemals schläft, die sich jeden Tag neu erfindet, lahmgelegt. Über 500.000 kehrten ihrer Stadt den Rücken. Wer es sich leisten konnte, verließ den Big Apple. Der Broadway war geschlossen, hinter den Glasscheiben der kleinen Läden herrschte gespenstische Dunkelheit und Restaurants kämpften ums tägliche Überleben. New York litt unter Herzschmerz. Ohne Besucher kaufte niemand "I Love New York"-T-Shirts, selbst die bedingungslose Liebe der New Yorker zu ihrer Stadt schien in der Krise zu stecken. Während des Lockdowns fanden New Yorker zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt ausgiebig Zeit, ihren Lebensstil zu reflektieren. Denn wer den Mythos NYC leben möchte, muss seinen Preis zahlen. Extra lang und hart arbeiten, horrende Lebenshaltungskosten. Es in New York zu schaffen, war nie leicht. Das Coronavirus hat es für viele noch schwerer, für manche unmöglich gemacht. Das Feature gibt einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt der New Yorker mit Geschichten vom täglichen Überleben, von der Angst, die eigene Stadt zu verlieren, und von Ex-New Yorkern, die sich von ihrer Lieblingsstadt getrennt haben. Was sich schon bald abzeichnete: Das New York vor COVID-19 würde es so nicht wieder geben. Die Stadt musste sich neu erfinden. Der Stolz der New Yorker ist unantastbar, glaubten Thomas Reintjes und Matthias Röckl vor der Corona-Krise. Die beiden suchten nach der verlorenen Stadt, den verlorenen Träumen, Existenzen, Sehnsüchten und nach der Hoffnung, dass New York vielleicht doch noch die Kurve kratzt. Das Feature wurde mit dem Radio-Award der RIAS Berlin Kommission 2022 ausgezeichnet. Fear of Losing New York Hören 54:49Hören 54:49
Paul Temple will gerade nach Paris reisen, als er von Sir Graham darum gebeten wird, bei einem aktuellen Mordfall mitzuarbeiten. Die vierundzwanzigjährige Betty Tyler, die in Oxford bei einem Modefriseur namens Mariano gearbeitet hatte, ist in ihrem Wagen ermordet worden. Erdrosselt wurde sie mit einem Halstuch, auf dem Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt zu sehen sind. Temple nimmt den Fall widerwillig an. Sein anfängliches Desinteresse löst sich allerdings in Luft auf, als man auf ihn und seine Frau Steve einen Mordanschlag verübt. Wenig später geschieht ein weiterer Mord, bei dem das Opfer erneut eine junge Friseurin ist. Wie sich herausstellt, steckt hinter den Taten eine kriminelle Organisation mit einem großen Unbekannten... Vorliegender Krimi ist eine Besonderheit innerhalb des Paul-Temple-Universums, die selbst eingefleischten Fans unbekannt sein dürfte. Er basiert nämlich auf einem geplanten Hörspielmehrteiler, der niemals produziert wurde...